13/10/2011

NEWSLETTER Nº 42: HACCP – wieviel Sauberkeit darf der Staat verlangen ? (Teil 1)

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich in zwei Fällen in sog. Vorabentscheidungsersuchen seitens des österreichischen Unabhängigen Verwaltungsrats in Wien mit der Frage auseinandergesetzt, welche Massnahmen ein Staat zwecks Einhaltung einer guten Hygienepraxis verlangen kann und wo die Grenzen des Prinzips der Verhältnismässigkeit überschritten werden. Sog. Lebensmittelunternehmer, die auf der Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufe von Lebensmitteln tätig sind, müssen für die Einhaltung einer guten Hygienepraxis die Grundsätze der Gefahrenanalyse und der Überwachung kritischer Kontrollpunkte (HACCP) beachten. Die wesentlichen Hygienevorschriften sind in EU-Verordnungen (VO) geregelt und gelten in allen Mitgliedstaaten der EU direkt, also ohne weitere Umsetzung in nationales Recht.

Im ersten Fall ging es um die Frage, ob in einer Bar, in der mit Ausnahme von Toasts so gut wie keine Lebensmittel zubereitet werden, es aus der Sicht von HACCP zulässig und ausreichend ist, dass ein Spülbecken mit Warmwasseranschluss vorhanden ist, in dem man sich die Hände waschen kann, das aber auch zum Abwaschen des Geschirrs diene. Die einschlägige EU-VO fordert in den “Allgemeinen Hygienevorschriften für alle Lebensmittelunternehmer” folgendes:

„Es müssen an geeigneten Standorten genügend Handwaschbecken vorhanden sein. Diese müssen Warm- und Kaltwasserzufuhr haben; darüber hinaus müssen Mittel zum Händewaschen und zum hygienischen Händetrocknen vorhanden sein. Soweit erforderlich, müssen die Vorrichtungen zum Waschen der Lebensmittel von den Handwaschbecken getrennt angeordnet sein.“

Die Gewerbeaufsicht verlangte von dem Barbetreiber zusätzlich, in der Personaltoilette ein Handwaschbecken mit Kalt- und Warmwasserzufuhr, einen Seifenspender und einen Papierspender zum hygienischen Trocknen der Hände zu installieren.  Die Wasserhähne sollten nicht von Hand zu betätigen sein. Nach Ansicht der Behörde sei nur ein in der Toilette installiertes Waschbecken ein “Waschbecken” im Sinne der EO-VO.

Der EuGH stellte daraufhin fest, dass der in der EU-VO verwendete Begriff des Handwaschbeckens “nicht eine Vorrichtung bezeichnet, die notwendigerweise ausschliesslich zum Händewaschen bestimmt sein muss”. Die EU-VO sowie der dort verwendete Begriff “hygienisch” erlaube nicht die generelle Annahme, dass ein Wasserhahn oder Mittel zum Händetrocknen benutzt werden müssen, ohne dass ein Handkontakt erforderlich werde.

Dieses und das in NEWSLETTER Nº 43 dargestellte Urteil des EuGH machen deutlich, dass auch im Bereich der unumstritten wichtigen Lebensmittelhygiene eine Behörde verpflichtet ist, bei der Anordnung von HACCP dienenden Massnahmen im konkreten Einzelfall das Prinzip der Verhältnismässigkeit zu beachten.

Wir verbleiben mit freundlichen Grüssen !

Ihr

CONLUSA – Team

Quellen:
- Urteil des EuGH vom 6.10.2011 in der Rechtssache C-382/10 (Albrecht u.a. ./. Landeshauptmann von Wien).
- EU-VO Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 über Lebensmittelhygiene




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